Klassik finanzieren – andersherum gedacht
Organisch zusammengewachsen
Sponsoring anders, Sponsoring im Kleinen, Sponsoring im Regio?
Die Rheinische Post wollte es wissen.
RP: Herr Hoffmann, Ihre späte Zuwendung zum Thema Sponsoring: schlagen Sie ein neues Kapitel in Ihrem Leben auf?
PH: Eigentlich nicht. Die intensive Auseinandersetzung mit Sponsoring ist das Ergebnis einer logischen Entwicklung.
RP: Wie kommt ein Theologe und Kirchenmusiker dazu, sich ausgerechnet zum Sponsoring-Fachmann zu entwickeln?
PH: Nun, das mit der Theologie war damals eher politisch bedingt. Ich wuchs in der kommunistisch gewordenen Tschechoslowakei auf, in der sogenannten Diktatur des Proletariats. Das hatte Eigenarten, die hier und heute schwer nachzuvollziehen sind.
RP: Könnten Sie vielleicht ein Beispiel …?
PH: Aber gern. Da kann es zum Beispiel passieren , dass man ob seiner bourgeoisen Herkunft als Klassenfeind zusammen mit dem Abi-Durchschnitt von 1,0 das Verbot jeglichen Hochschulstudiums bekommt … was dann nach etlichen Interventionen gnädigerweise in eine Exklusiverlaubnis des Theologiestudiums umgewandelt wurde.
RP: Waren Sie mit der Kirche eng verbunden?
PH: Ja, die Kirchen funktionierten im Kommunismus als „Inseln der Absonderung“. Ich fand die Theologie darüberhinaus äußerst interessant und reizvoll – war es gleichzeitig ein bißchen Ersatz für die – mit der proletarischen Diktatur weggefegte – „klassische Bildung“: bißchen Latein, Griechisch, Hebräisch, alte Geschichte, auch Kunstgeschichte als Option, reichlich bestückte Bibliotheken – ich genoß das in vollen Zügen. Es blieb ein zwar wichtiges, dennoch relativ kurzes Intermezzo.
RP: Warum das?
PH: Das Studium war erlaubt ausschließlich zur Ausbildung eines staatlich zugelassenen Geistlichen. Es handelte sich in meinem Falle um Theologie der katholischen Spielart – und beim Zölibatsgelübde mußte ich leider passen. Die Entscheidung, das schwer kämpfende Schiff zu verlassen, fiel mir dennoch schwer.
RP: Dann aber durften Sie endlich Musik studieren?
PH: Genau – sogar an der elitären Akademie der musischen Künste in Prag.
RP: Aus dem angehenden Theologen ist also ein Kirchenmusiker geworden?
PH: Eigentlich nicht. Dem Reiz des Orgelklangs bin ich schon als Kind erlegen – und einen regelmäßigen Dienst an der Kirchenorgel verrichtete ich seit meinem 11. Lebensjahr. Das ging dann in Deutschland weiter mit allem drum und dran – in beiden Konfessionen. Chorleitung, auch Kinderkantorei mit in der Glanzzeit immerhin bis zu 70 Kindern und Jugendlichen von 8 bis 17 Jahren!
Eine offizielle kirchenmusikalische Ausbildung gab es in Prag damals nicht – es ging offiziell um den Beruf des Konzertorganisten und natürlich Instrumentalpädagogen.
RP: Dabei ist es allerdings nicht geblieben.
PH: Ja, allerdings. Nach dem Grenzgang am Ende des Prager Frühlings 1968 sollten noch etliche weitere folgen (lacht).
Ich wollte mir im nachhinein den Traum eines echten wissenschaftlichen Studiums erlauben – die Kirchenmusik war ein daneben gern gemachter Broterwerb. Und da ging’s mir weniger um die Lehre vom Gott als um das Wissen über den Menschen dahinter, die Gesellschaft, die Kultur. Kurzum: um die Sozialwissenschaften, um die – echte – Soziologie.
Wissen Sie, im Kommunismus lief so etwas ausschließlich unter dem Oberbegriff Marxismus-Leninismus, und das war nunmal nicht mein Ding.
RP: Eine ideologiefreie Sozialwissenschaft – war das ihr Traum?
PH: Ja, absolut. Es hat mich fasziniert. Offensichtlich findet sich ein Faible für die Meta-Fragen in meinen Genen (lacht). Dieser Blick hinter die Altäre, die Neugier, wie und warum die menschlichen Dinge, Schöpfungen, Strukturen, Erfindungen, das sogenannte Gute und Böse, die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit – wie und warum es funktioniert. Das Hinterfragen.
Mein Ziel war eigentlich eine wissenschaftliche Karriere, habe bereits an meinen zwei Buchstaben gearbeitet.
RP: … und sich dann doch anders entschieden?
PH: Die harten Entscheidungen führt manchmal das Leben herbei – z.B. eine urplötzlich große zu versorgende Familie. Keine Zeit mehr für die späte Dissertation, dafür jede Menge privaten Musikunterrichts. Und gleichzeitig entdeckte ich, eher zufällig, die Welt hinter dem Mikrofon – die Welt der Tonaufaufzeichnung und -gestaltung, der Raum- und Elektroakustik, der Audiotechnik – und gründete schließlich 1980 mein Tonstudio.
RP: Nur so? Aus dem Stegreif?
PH: Klar, von selbst geschah’s nicht, dennoch: ein Organist hat möglicherweise gewisse Affinität zum Mischpult … so eine große viermanualige Konzertorgel mit den zahlreichen Bedienelementen ist auch ein bißchen Männerspielzeug – wie ein großes Mischpult.
Für einen Igor Strawinski war die Orgel gar kein Musikinstrument, sondern schlicht Maschine (lacht) – und interessanterweise hat einer der weltgrößten Mischpulthersteller früher Setzerkombinationen für große Kathedralorgeln gebaut.
RP: War dieser Seitenwechsel – sozusagen ums Mikrofon herum – wieder ein Grenzgang für Sie?
PH: Ja, in ungeahnter und faszinierender Weise. Hinzu kam eine gewisse Seltenheit dieser Erfahrung: es kam, damals, ziemlich selten vor, das ein Berufsmusiker diese Seiten wechselte – dabei so abrupt und konsequent.
RP: Worin bestand die Faszination?
PH: Ich fing an die Musik mit anderen Ohren zu hören. Ich hörte und beurteilte Räume, ich hörte plötzlich ausschließlich raumgebundene Musik. Den ausführenden Musikern geht diese Erfahrung in der Regel verloren, sie sind mit dem Notentext, der Interpretation, der Echtheit, Stilsicherheit und allen solchen Dingen total ausgelastet. Mit recht seltenen Ausnahmen, z.B. einiger Spitzendirigenten. Für mich kamen plötzlich Begriffe wie Balance, Symmetrie, Tiefenstaffelung, Durchsichtigkeit, Klangfärbungen hinzu. 35 Jahre live-Recording von großen chorsinfonischen und oratorischen Werken in oft schwierigen sakralen Raumakustiken waren ein Abenteuer einmaliger und bereichender Art. Ich bin dankbar, dies erleben – und meine Erfahrung als Tonmeister daraus ziehen zu dürfen.
RP: 35 Jahre als Tonmeister– das war sicherlich nicht nur live-Klassik?
PH: Die zweite Quelle der Begeisterung war und ist für mich die Aufnahmeleitung selbst, die eigentliche Grundaufgabe eines Tonmeisters. Als ehemaliger Berufsmusiker kann ich mich bei Musikproduktionen in den oder die Kollegen vor dem Mikrofon sehr schnell hineinfühlen, sie verstehen, mit ihnen atmen, auch Tipps liefern – auf Augenhöhe.
Dazu kommen die üblichen Erfordernisse einer Tonträgerproduktion: schnelle und sichere Beurteilung sowie die motivierende Kommunikation – mal per Lautsprecher, mal per Telefon (schmunzelt) –, um das Bestmögliche aus dem Gegebenen herauszukitzeln. Daneben Entscheidungen bezüglich Aufnahmeort, Mikrofonierung – danach der Schnitt, Klanggestaltung, Mastering – das alles macht Spaß, ist eine tolle und kreative Arbeit.
Tatsache ist, mit Musiker- und Tonmeisterohren in einer Person gibt es allseitig keine Berührungsängste, sondern so etwas wie kollegiale Partnerschaft – und das beflügelt beide Seiten … aber davon könnte ich Ihnen stundenlang vorschwärmen.
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