Aus gestrigen Etatverwaltern werden Sponsoringmanager
Seite 2: Organisch zusammengewachsen
RP: Zurück zu meiner Urfrage: Wie kommt ein begeisterter Tonmeister dazu, sich ausgerechnet mit Sponsoring auseinanderzusetzen?
PH: Durch… ja, die teilnehmende Beobachtung. Ist ja auch ein Werkzeug der empirischen Sozialforschung – da haben wir’s wieder (lacht).
Sie haben recht, mit der Finanzierung des Musikmachens hatte ich ja nichts mehr zu tun – stand quasi auf der anderen Seite der Barrikade. Und beobachtete, wie bei den Kollegen – so in den Neunzigern – die Etats anfingen sukzessive wegzubröckeln.
Die Älteren, die es ihr ganzes Berufsleben nicht anders kannten als mit einem sicheren Etat zu rechnen, reagierten verwirrt und überfordert. Die Jüngeren versuchten für sich Anpassungsstrategien zu finden. Insbesondere die Leute um Kirchen herum, also zwangsläufig auch die Kirchenmusiker, sind nunmal Weltmeister im Spendensammeln oder „Kötten“ oder wie man’s nennen möchte. Im Fundraising. Alsbald tauchte auch das Wort Sponsoring auf. Aus dem Massensport irgendwie bereits geläufig. Gewiß große Sache. Müßte doch auch in Kultur, Kunst, Klassik zum Einsatz kommen, müßte doch auch hier irgendwie funktionieren.
Was bei diesem „irgendwie Sponsoring“ herauskam war in meinen Augen eine zufallsgesteuerte Ratlosigkeit, sprich ziellose Durchwurstelei. Aber das war nur so ein Gefühl, aus dem Bauch heraus – allerdings ein sich im Laufe der Jahre kummulierendes Gefühl. Aus der fieberhaften Suche nach alternativen Finanzierungsmodellen kristallisierten sich um mich herum zwei Maximen heraus: Billigst gleich Optimal – für meine Begriffe ein erschreckendes Bekenntnis zum Mittelmaß. Und zweitens: sparen sparen sparen – bis totgespart ist. Darf doch nicht wahr sein!
RP: Verfügten Sie bereits über fachliche Vorkenntnisse in Sachen Sponsoring?
PH: Nein, das Ding war für mich ein absolutes Neuland, terra ignota.
RP: Es muß aber einen Anstoß gegeben haben um aus einem passiven Beobachter den aktiven Gestalter zu machen…
PH: So einen Damaskus gab es in der Tat … wie oft im Leben eher zufällig. Wenn ich mich richtig erinnere, 2006 ergab sich ein längeres Gespräch mit Beteiligung von kommunalen Kulturverantwortlichen. Ich stutzte über das bei den Teilnehmern ausgeprägte Unvermögen in einfachen ökonomischen Zusammenhängen zu denken.
Die Folge für mich war „und jetzt will ich’s wissen!“ Dieses rätselhafte Phänomen Sponsoring muß ich hinterfragen und durchdringen.
RP: Wie ging’s weiter?
PH: Schon das erste Sichten der Literatur ergab, richtig erschlossen und professionalisiert ist fast nur die Disziplin Sportsponsoring. Und zwar: je mehr Masse desto besser zu sponsern, also eher Fußball als Fechten oder Kanufahren. Wo großes Geld bewegt wird, finden sich ruck zuck clevere Köpfe.
Mir ging’s dagegen um Sponsoring sozusagen im Kleinen und wenig Spektakulären, um die Kultur im eher unauffälligen Alltag, irgendwo. In meinem Bereich nenne ich diese Einstellung gern „Klassik im Regio“.
Das Geld für große Prestigeprojekte wird es immer geben. Aber im Kleinen, Unscheinbaren und Entlegenen, da wird’s deutlich schwieriger. Also hieß es für mich: das Funktionsprinzip herauszuschälen und sinnvoll neu anzuwenden.
RP: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann sind Sie in puncto Sponsoring ein typischer Quereinsteiger.
PH: Ja, absolut. Nach meiner Erfahrung ist das allerdings von Vorteil. Weil einem Querensteiger die anerzogenen Scheuklappen fehlen. Er kann überall hinschielen, sich über den Tellerrand verbünden – wie es heute modern heißt, interdisziplinär denken. Davon hielt ich immer schon sehr viel – lange bevor es modern wurde (lacht). Man hat einfach den Blick frei für’s Andere, für’s Probieren, Entwickeln, anders, möglicherweise Bessermachen.
Meine verschüttete Soziologie meldete sich wohl zu Wort (lacht) – in Köln, wo ich studiert habe, ist dieses Fach ausnahmsweise den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften untergliedert – ergo bekommt man pflichtgemäß Einiges von der ökonomischen Denkweise und den Zusammenhängen mit auf den Weg. Und Einiges, worum in der Disziplin Sponsoring bis heute ein ziemlich ehrfürchtiger Bogen geschlagen wird, gehört schlicht und ergreifend zu den Methoden und Techniken der empirischen Sozialforschung.
RP: Sie sprechen gern vom „echten“ Sponsoring – im Unterschied zu einem wohl unechten oder verwässerten. Geht es bei Ihrem Ansatz vor allem um die Theorie, um die sozusagen reine Lehre?
PH: Keineswegs, Ich bin kein Missionar und will niemanden bekehren – sollte es die allein seligmachende reine Lehre geben, was zu bezweifeln ist (schmunzelt).
Nein, mein Ansatz ist praktisch und pragmatisch.
Was in dem angesprochenen Bereich üblicherweise als Sponsoring bezeichnet wird hat mit dem selbigen wenig bis gar nichts zu tun. OK, ich nenne es „Sponsoring light“, Namen sind Schall und Rauch. Wenn der Förderer gern als „Sponsor“ angesprochen werden möchte – wer soll sich daran stören?
Mir geht es um was ganz anderes. Theoretisch scharf zu trennen ist wichtig. Es bedeutet, neu und anders zu denken, sich dem Ding neu und anders zu nähern und, konsequenterweise, völlig neue Konzepte und Argumente zu entwickeln. Mit neuen Argumenten können Sie möglicherweise völlig neue potentielle Sponsoren ausmachen, diese neu ansprechen und … für sich gewinnen.
Das bedeutet wiederum: was Sie an Ihren bisherigen Sponsoren und sonstigen Förderern haben, das nimmt ihnen keiner weg. Was Sie durch die neue Denk- und Argumentationsweise hinzugewinnen, ist ein echtes Hinzu, ein Darüberhinaus, ein Gewinn. Und wenn Sie, aus welchen Gründen auch immer, keinen Sponsor mehr hinzufinden, dann haben Sie auch nichts verloren. Es gibt nur Gewinner. Eine, wie man’s heute gern bezeichnet, Win-Win-Situation.
Ich trenne – in der Theorie – die Förderung, z.B. der edlen Klassik – vom reinen Geschäft … und konzentriere mich dann auf die Geschäftsseite. Daraus ergeben sich handfeste Vorteile für die Praxis.
Im Leben gibt es dann, natürlich und selbstverständlich, eher Mischformen als theoretische Reingewächse, das Leben ist nie schwarz-weiß, und das ist gut so. Ändert aber nichts daran, dass man sich einen praktischen Vorteil – manchmal nur – durch theoretisch geschärftes Denken erschließen kann.
Aus dieser pragmatischen Überlegung heraus lohnt es, sich mit dem echten Sponsoring unbedingt zu befassen.
Noch etwas. Seit der weltweiten Finanzkrise befinden wir uns im rasanten Umbruch. Nichts wird wie früher sein, das gilt auch und gerade für die Kulturfinanzierung.
Aus den gestrigen Etatverwaltern werden Sponsoringmanager. Ist so.
RP: Das wäre ein schöner Schlußsatz für Ihre Vision.
PH: Ach ja, hat sich auf verschlungenen Pfaden so entwickelt. Auf meinem Wege ist Einiges organisch zusammengewachsen, das ist alles.
In Deutschland findet Wirtschaft und Kultur – historisch bedingt und im Unterschied zu einigen anderen Ländern – etwas holprig zueinander.
Möge dieser Sponsoring-Ansatz den Annäherungsprozeß beschleunigen.
Jede Annäherung fängt im Kopf an.
Die Fragen stellte Carola Newman.